Vegane Garne
Tierfreundliche „Wolle“ aus pflanzlichen Fasern
Der Herbst geht in den Winter über und es wird so kalt, dass man ohne Mütze das Haus nicht mehr verlassen möchte – je nach Veranlagung möchte man das unter Umständen sogar mit Mütze nicht mehr. (Für solche Wintermuffel haben wir hier direkt noch einen Blog-Tipp: Glücklich trotz Winter!)
Wie jedes Jahr finde ich mich zu dieser Jahreszeit abends mit meinen Stricksachen und Unmengen an neuen Projektideen auf dem Sofa wieder. Es kommt vor, dass ich monatelang keine einzige Masche angeschlagen habe, aber spätestens im November packt mich das unbändige Verlangen, einen neuen Pullover bzw. einen Haufen Socken zu stricken. Oder nach unzähligen gescheiterten Versuchen endlich doch noch die Double-Face-Technik zu meistern.
Strickende Umweltsünder
Wer sich schon einmal mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird natürlich wissen, dass dieses unheimlich schöne, entspannende Hobby, so naturnah und nachhaltig es wirkt, leider durch den Woll- und Baumwollverbrauch alles andere als umweltverträglich und tierfreundlich ist. Bei der Baumwolle spielen vor allem der Pestizideinsatz (bei konventionellem Anbau) und der hohe Wasserverbrauch eine unrühmliche Rolle. Bei der Wolle von Schafen, Angorakaninchen und -ziegen, Alpakas und anderen Tieren sind es gleich eine ganze Reihe von erschreckenden Methoden, die bei Zucht, Haltung, Schur und Schlachtung eingesetzt werden. All das schlägt dann auch dem größten Strickfan aufs Gemüt. Natürlich versuche ich außerdem, so weit wie möglich auf (erdölbasierte) Kunststofffasern zu verzichten. Deswegen sind für mich in jedem Fall Polyamid, Polyacryl und Co. aus dem Rennen.
Was also tun, wenn man ohne schlechtes Gewissen stricken möchte? Geht das überhaupt?
Ich habe mich mal ein bisschen umgesehen und war überrascht, wie viele vegane und nachhaltige Garne es inzwischen gibt. Einige wie Hanf und Leinen kannte ich natürlich schon vorher, aber Brennnesselwolle? Sojaseide? Garne aus recycelten Jeansstoffen und PET-Flaschen? Unglaublich, wie breit die Palette ist.
Bevor wir uns mit den unterschiedlichen Möglichkeiten auseinandersetzen, zunächst einmal zu den Grundlagen.
Kleine Materialkunde
Neben den bekannten und beliebten Naturmaterialien Wolle, Baumwolle, Seide oder Leinen gibt es die bereits erwähnten Kunststofffasern (v. a. Polyamid, Polyacryl und Polyester). Inzwischen sind aber auch Mischformen, sogenannte „Man-made Zellulosefasern“ oder Regeneratfasern, auf dem Vormarsch. Dafür werden mithilfe chemischer Prozesse aus Naturfasern Garne produziert. Auch dieser Vorgang und die teilweise dabei verwendeten Chemikalien können durchaus umweltschädlich sein. Es gibt jedoch auch vergleichsweise schonende Herstellungstechniken und in jedem Fall ist das Endprodukt im Gegensatz zur Kunststofffaser vollständig biologisch abbaubar.
Vegane Garne: Viskose, Modal und Tencel
Viskose wird aus Eukalyptus-, Buchen- oder Pinienholz oder auch aus Bambus gewonnen und ist quasi der Vorreiter, gerät jedoch wegen der bereits erwähnten umweltschädlichen Chemikalien beim Herstellungsprozess inzwischen auch etwas in Verruf. Mit demselben Verfahren wird auch die Modelfaser gewonnen, hier allerdings hauptsächlich aus Buchenholz.
Beliebt ist inzwischen aber auch die Zellulosefaser Lyocell, bekannt auch unter dem Markennamen Tencel, die mit einem ungiftigen Lösungsmittel hergestellt wird, das zudem aufbereitet und größtenteils wiederverwendet werden kann.
Während Eukalyptusholz und Bambus als nachhaltige Rohstoffe beliebt sind, da sie besonders schnell wachsen und dabei vergleichsweise wenig Wasser benötigen (in Monokulturen aber natürlich ebenfalls problematisch sind), kann Buchenholz regional, meist gut überwacht, ebenfalls nachhaltig und fair produziert werden.
Für alle, die sich einmal einen Überblick über das breite Angebot an veganen Garnen verschaffen wollen:
Im Artikel „Pflanzliche Fasern für vegane Wolle“ habe ich die interessantesten Kandidaten, aus denen vegane Wolle derzeit produziert wird, einmal kurz vorgestellt.
Bezugsquellen für vegane Garne
Rein pflanzliche Wolle aus den verschiedenen Fasern sowie Mischgarne kann man z. B. bei Pascuali, WolleWelten, Hooked und unter trendgarne beziehen. Aber mit der steigenden Nachfrage werden sie immer öfter auch ins Standardangebot der klassischen großen Händler aufgenommen.
Recycelte Garne
Neben den nachhaltig neu hergestellten Varianten erfreuen sich aber auch recycelte Garne inzwischen großer Beliebtheit. Dabei werden die ausrangierten Materialien zunächst nach ihrer Beschaffenheit und Farbe sortiert, dann gereinigt und im Anschluss so lange geschreddert, bis sie wieder in ihre Einzelfasern zerlegt sind. Aus diesen Fasern können nun neue Garne oder Stoffgewebe hergestellt werden.
Das Wiederverwenden solcher „Abfallprodukte“ spart nicht nur Ressourcen, sondern verkleinert gleichzeitig auch noch unsere wachsenden Müllberge. Besonders beliebt und gut fürs Image ist natürlich alles, was aus dem Meer gefischtes, recyceltes Plastik (z. B. Econyl) enthält.
Ob als Ausgangsmaterial nun Geisternetze, alte Jeansstoffe, Baumwoll-Klamotten, PET-Flaschen oder Ausschussmaterial, das beim Herstellungsprozess von neuem Garn anfällt, verwendet wird – die Hersteller zeigen sich beim Recycling äußerst kreativ. In einigen Fällen nehmen sie dafür sogar bereits die eigenen abgetragenen oder verschlissenen Produkte zurück, um einen echten Kreislauf zu erzeugen.
Bezugsquellen für recycelte Garne
Recycling-Wolle findet man inzwischen bei fast allen größeren Garnanbietern, u. a. bei Junghans-Wolle, von Austermann oder auch bei Anbietern wie Maschenfein.
Viele der beschriebenen Fasern habe ich schon selber ausprobiert und bin wirklich begeistert davon, wie weich manche sind, wie toll andere glänzen und wie angenehm sich die daraus gestrickten oder gehäkelten Kleidungsstücke anfühlen und tragen.
Trotzdem, ich will ehrlich sein: Gerade im Winter werde ich immer wieder rückfällig und kaufe doch wieder Merinowolle für Handschuhe oder Alpakagarne für Babypullis. Daher war meine nächste Mission, herauszufinden, ob sich nicht auch für „echte“ Wolle vertretbare Bezugsquellen finden ließen. Und tatsächlich, es gibt sie: Die sogenannte Vegetarierwolle.
Disclaimer: Alle Verlinkungen in diesem Artikel sind persönliche Tipps (also weder bezahlte Werbung noch Affiliate-Links). Die Inhalte auf den verlinkten Seiten liegen nicht in unserem Verantwortungsbereich.
Das könnte Sie auch interessieren:
Pflanzliche Fasern für vegane Wolle
Die sogenannte Vegetarierwolle
„Gartenfieber“
* „Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz“ – Mark Twain