Grammatik

Komma bei Infinitiv­grup­pen – Teil 1

Die einfache Methode

Agnes Waidosch
14 Mrz, 2019

Es ist einfacher, kritisch zu sein als korrekt.
Benjamin Disraeli

Das Komma ist ohne Zweifel eine der beliebtesten Fehlerquellen in deutschen Texten. 

Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Zeichensetzung im Allgemeinen und die Verwendung des Kommas im Besonderen eher Geschmackssache sei, gibt es klare Regeln, die die korrekte Verwendung von Satzzeichen definieren. Tatsächlich haben sich viele dieser Regeln seit der Rechtschreibreform deutlich gelockert. Die Kunst besteht also darin, die Vorgaben für die unbedingt erforderlichen Satzzeichen zu beherrschen. Bei den übrigen Kommata darf dann tatsächlich im besten Fall nach Sprachgefühl, zur Not auch nach Lust und Laune entschieden werden. An der geltenden Regelung kommt man aber nicht vorbei.

Im Rahmen unserer Grammatik-Blogartikel wollte ich mich gerne mit einem Thema beschäftigen, das nicht nur grundsätzlich vielen Schreibenden Probleme bereitet, sondern bei dem auch ich selbst immer mal wieder auf Fälle stoße, bei denen ich ins Grübeln komme: dem Komma bei Infinitivgruppen, einem besonders haarigen Phänomen im Bereich der Kommasetzung. 

Wenn man sich dieses Thema aber einmal zu Gemüte führt, verliert die vermeintliche Stolperfalle schnell ihren Schrecken.

Meine Begeisterung war sogar so groß, dass aus dem geplanten einen Artikel letztendlich ein Trio geworden ist: Der erste Beitrag aus der Reihe liefert die schnellste, einfachste und bequemste Lösung im Umgang mit dem Komma bei Infinitivgruppen, der zweite dringt etwas tiefer in die Materie ein und der dritte taucht in die Untiefen der Grammatik ab.

Sollte dabei der ein oder andere Fachbegriff unbekannt sein, kann dieser übrigens auch in unserem Blogartikel zur Begriffsklärung nachgeschlagen werden.

Mensch mit Fragezeichen vor dem Gesicht

Komma bei Infinitivgruppen: Die einfache Methode

Die gute Nachricht vorweg: Sogar bei diesem Thema – das bei eingehender Betrachtung wirklich tückisch ist – kann man es sich durchaus einfach machen!

Hält man sich hier nämlich an den Grundsatz, dass jede Infinitivkonstruktion, bis auf zwei Ausnahmen (auf die wir gleich noch eingehen werden,) durch ein Komma abgetrennt werden darf, umgeht man damit eine Menge Problemfälle.

Bei den folgenden Sätzen ist man also zum Beispiel mit einem Komma immer auf der sicheren Seite:

  1. Ich freue mich darauf, später noch ein Buch zu lesen.
  2. Es macht mir Spaß, zu lesen.
Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob der Infinitiv alleine steht, (2) oder mit einer Ergänzung (1) den Nebensatz bildet.

So weit, so gut.

Kommen wir jetzt zu den beiden Ausnahmen, die man sich bei dieser Vorgehensweise merken muss.

1. Die erste Ausnahme bezieht sich auf komplexe Prädikate:

Manchmal bildet die Infinitivgruppe ein mehrteiliges, komplexes Prädikat mit dem übergeordneten Verb. In diesem Fall wird sie durch Hilfsverben (in der Funktion von Modalitätsverben) sowie Modalitäts- und Halbmodalverben ergänzt bzw. ist von ihnen abhängig. Die Liste dieser Verben ist zum Glück überschaubar, sodass man sie sich sozusagen als Alarmsignale merken kann:

– brauchen
(Modalitätsverb)

– pflegen
– scheinen
– drohen
– versprechen
(Halbmodalverben)

– haben
– werden
– sein
(Hilfsverben)

 

Wird nun eine Infinitivgruppe durch eines dieser Zusatz-Verben eingeleitet, darf sie nicht durch ein Komma abgetrennt werden:

Du brauchst mir nicht zu helfen.

Das scheint nicht mit rechten Dingen zuzugehen.

Wir waren kaum wiederzuerkennen.

Er hat nichts zu verlieren.

Zu beachten ist dabei noch, dass nicht jeder Infinitiv mit einem „Alarm-Verb“ im selben Satz automatisch auch ein mehrteiliges Prädikat bildet. Die Verben aus unserer Liste können auch als Vollverben gebraucht werden. In solchen Fällen gilt die Ausnahmeregelung also nicht und es kann wieder ein Komma gesetzt werden:

Die beiden versprechen, morgen zu kommen.

aber:

Es verspricht ein langer Tag zu werden.

2. Die zweite Ausnahme betrifft Satzstellungen, die von der Norm abweichen:

Üblicherweise wird der Infinitiv mit „zu“ wie ein Nebensatz behandelt, der dem übergeordneten Satz entweder nach- oder vorangestellt wird:

Im Meer zu schwimmen, ist sehr entspannend.

Es ist sehr entspannend, im Meer zu schwimmen.

Ist die Infinitivgruppe stattdessen mit dem übergeordneten Satz verschränkt (1), schließt ihn ein (2) oder steht gemeinsam mit dem übergeordneten Verb in der rechten Satzklammer (3), wird ebenfalls auf ein Komma verzichtet.

In der gebräuchlichen Satzstellung würde ein Beispielsatz etwa heißen:

Ich habe vergessen, den Tee zu kochen. 

bzw.

Den Tee zu kochen, habe ich vergessen.

Wird der Satz nach einer der erwähnten Möglichkeiten umgestellt, entfällt das Komma:

(1) Den Tee habe ich zu kochen vergessen.

(2) Den Tee habe ich vergessen zu kochen.

(3) Ich habe den Tee zu kochen vergessen.

Am leichtesten macht man sich das Leben also,
wenn man bei Infinitivgruppen – unter Beachtung zweier Ausnahmen – immer ein Komma setzt.

Wer stattdessen lieber die Fälle betrachten möchte, in denen ein Komma stehen muss oder zumindest stehen kann, dem sei der zweite Blogartikel zum Thema „Komma bei Infinitivgruppen“ ans Herz gelegt.

Nachschlagewerke:

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