Die sogenannte Vegetarierwolle
Echte Wolle ohne Tierleid?
Ich liebe Wolle. Ein wundervolles Material: wasserabweisend und hautberuhigend durch den natürlichen Wachsgehalt, selbstreinigend, wärmend, duftig und schön. Deswegen fällt es mir auch schwer, ganz darauf zu verzichten – obwohl es inzwischen ein spannendes Angebot an Veganen Garnen gibt.
Andererseits ist es kaum mit dem eigenen Gewissen zu vereinbaren, Wolle zu verwenden. Man will eigentlich gar nicht erst wissen, wie sie produziert wird und unter welchen Bedingungen die meisten Schafe, Ziegen und sonstigen Tiere gehalten werden, die wir für den Rohstoff scheren.
Wolle aus verantwortungsvoller Tierhaltung
Indem man Wolle bei traditionellen (Bio-)Schäfern kauft, kann man eine tierfreundlichere Haltung und gleichzeitig auch noch eine bedrohte Berufsgruppe unterstützen. Oft gibt es von diesen Anbietern kleine Hofläden oder sogar eigene Onlineshops, in denen man fündig wird. Auch Schäfereigenossenschaften, wie etwa der Finkhof oder Das goldene Vlies, achten auf einen guten Umgang mit ihren Tieren, der Natur und den Mitarbeitern. Außerdem halten sie ihre Tiere in Deutschland, also vergleichsweise regional.
Natürlich müssen die meisten Schäfer trotzdem versuchen, ein rentables Unternehmen zu führen, was angesichts der niedrigen Preise für Wolle gar nicht so einfach ist. Ihre Schafe werden daher auch für die Produktion von Milch und Fleisch gehalten und daher entweder schon als Lämmer oder spätestens mit 4 bis 6 Jahren geschlachtet.
Nicht vegan, aber vertretbar: „Vegetarierwolle“
Die für mich derzeit beste Lösung ist daher die sogenannte „Vegetarierwolle“. Sie stammt von Schafen, die von Privatpersonen in speziellen kleinen Herden (etwa als Landschaftspflegeschafe) und auf Gnadenhöfen gehalten werden.
Schafe werden inzwischen ja immer häufiger auf größeren Flächen als natürliche Rasenmäher eingesetzt oder auch einfach als Haustier gehalten. Dabei fällt quasi als Nebenprodukt bei der Schur Wolle an. Es ist jedoch mit viel Aufwand verbunden, den Rohstoff zu reinigen, weiterzuverarbeiten und schließlich z. B. in Form eines fertigen Garns an den interessierten Käufer zu vermitteln. „Vegetarierwolle“ gibt es daher überwiegend als Liebhaberprodukt für den Eigenbedarf oder im kleinen Kreis (wenn man Glück hat, auch mal im Hofladen in der Nachbarschaft). Einige wenige Anbieter versuchen Internet-Börsen aufzubauen, um Anbieter und Käufer zusammenzubringen, was jedoch ebenfalls häufig am Aufwand scheitert. Ein Beispiel dafür wäre VeggieWolle (hier gibt es sogar ausschließlich „Vegetarierwolle“), die jedoch leider derzeit pausiert. Zu einem großen Teil lässt sich aber beispielsweise auch im Webshop von wollhandwerk „Vegetarierwolle“ beziehen.
Das hat seinen Preis …
Wie das immer so ist: Die Wolle fürs gute Gewissen hat logischerweise ihren Preis. Gerade wenn man auch unversponnene Fasern (mehr dazu gleich unter „Tipp“) in Betracht zieht, gibt es aber durchaus erschwingliche Angebote. Oder man wünscht sich mal ein Wollpaket zu Weihnachten.
Tipp:
Obwohl es inzwischen ein großes Angebot an veganen und „vegetarischen“ Fasern gibt (einen Überblick bietet der Artikel Pflanzliche Fasern für vegane Wolle), werden die Garne in größerem Stil oft nur von ein/zwei Firmen in einer bestimmten Mischung produziert. Die vegane Algenfaser zum Beispiel habe ich als gesponnenes Garn nur in Kombination mit konventioneller Baumwolle, Wolle oder Seide gefunden. Mehr Auswahl hat man, wenn man nach unversponnenen Fasern (etwa in Form von gekämmten Strängen) sucht. Das Wollschaf zum Beispiel bietet eine ganze Menge interessanter Pflanzenfasern. Diese kann man dann zuhause z. B. mit einer Handspindel selber zu einem Garn drehen. Auch der Preis spricht dafür, dass man diese Technik einmal ausprobiert: In vielen Fällen kostet die ungesponnene Ware gerade einmal die Hälfte.
Kleiner Exkurs zur Seide
Auch beim Kauf von Garnen mit Seide gibt es die Möglichkeit, auf mehr Tierwohl zu achten. Man kann z. B. Wildseide verwenden, bei welcher der Nachtfalter-Nachwuchs nicht in seinen Seidenkokons getötet wird, sondern schlüpfen darf. Erst im Anschluss daran werden die zurückgelassenen, leeren Kokons eingesammelt und verwertet. Das führt zwar dazu, dass die Seide etwas ungleichmäßiger ist, weil die Fasern beim Schlüpfen des Falters reißen und an diesen Stellen zusammengesponnen werden müssen. Das ist allerdings auch schon der einzige Unterschied zu konventioneller Seide.
Garn aus Wildseide gibt es beispielsweise bei WOLLEN berlin oder auch bei Maschenfein. Und auch hier gibt es tolle pflanzliche Alternativen, z. B. Sojaseide, Kapok oder Agavenfasern (Sisal).
Ausblick Färben
Ein anderes Thema, das man nicht vergessen sollte, betrifft das Färben von Garnen, denn hierbei wird der Umwelt leider so einiges zugemutet. Idealerweise wählt man daher einfach die ungefärbte Variante eines Garns (hier gibt es meist von Natur aus schon eine kleine Farbpalette, mit der sich etwas anfangen lässt). Einige Anbieter sind aber auch schon dazu übergegangen, ihre Wolle mit Pflanzenfarben zu färben, und natürlich könnte man das auch selbst mal probieren, falls man Zeit und Lust dazu hat. (Bei mir dereinst als Sommerprojekt geplant – das vermutlich frühestens nach Renteneintritt angegangen wird. :))
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* „Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz“ – Mark Twain