Wortmigranten
Deutsche Wortauswanderer auf der ganzen Welt
Der Texttreff, das fantastische „Netzwerk wortstarker Frauen“, organisiert seit einigen Jahren ein Blogwichteln, bei dem sich die teilnehmenden Mitglieder gegenseitig mit Blogartikeln beglücken. Auch wir haben wieder mitgemacht: Sarah hat diesmal für Danielas Blog „Wortakzente“ eine Rezension über „Das Land des Lachens“ von Jonathan Carroll geschrieben, und im Gegenzug haben wir von der lieben Textine Birte – über die Sie unten noch etwas mehr erfahren – einen tollen Beitrag geschenkt bekommen. Sie hat sich für uns mit viel Humor dem Thema „Wörter mit Migrationshintergrund“ gewidmet.
Hier also Birtes Artikel:
„Nusu kaput“ beim „Zahanati“
Immer diese Wörter mit Migrationshintergrund, möchte man manchmal seufzen. Plötzlich stimmen wir nicht mehr ab, sondern „voten“, und besuchen keine Veranstaltungen mehr, sondern „Events“. Und die online gekauften E-Books „downloaden“ wir, statt sie herunterzuladen. Aber andersherum wird auch ein Schuh daraus, auch die deutsche Sprache wildert Wörter aus, die es sich in anderen Sprachen gemütlich machen. Wussten Sie, dass es sogar im Suaheli deutsche Wortauswanderer gibt? Bei „Zahanati“ muss man vielleicht noch einen Augenblick überlegen, dass damit der Zahnarzt gemeint ist (wobei sich die gelehrten Geister nicht ganz einig darüber sind, ob es wirklich von „Zahnarzt“ abgeleitet ist), aber „Schule“ wurde lieber gleich unverändert übernommen. Bei „Daktari“ kann man sich streiten, ob das jetzt vom deutschen Doktor oder vom englischen doctor abgeleitet ist. Die Narkose ist wiederum ganz eindeutig halb deutsch: nusu kaput, wortwörtlich: „halb kaputt“.
Aber nicht nur Afrikaner lieben deutsche Wörter als Ergänzung zu ihrer eigenen Sprache. Die Briten und Amerikaner fanden offenbar „Blitzkrieg“ und „Weltschmerz“ so interessant, dass sie sie in ihren Wortschatz übernommen haben und den „Kindergarten“ gleich mit dazu. Dafür waren die Russen vom „Butterbrot“ ganz begeistert, auch wenn sie nicht ganz dasselbe darunter verstehen wie wir Deutschen. Ein „Butterbrot“ ist bei ihnen ein belegtes Brot und keine Scheibe nur mit Butter darauf. Folgerichtig heißt die nur mit Butter bestrichene Stulle bei ihnen dafür „Butterbrot mit Butter“.
Vorsicht: „false friends“
Schwierig wird es, wenn die übernommenen Wörter in der Einwanderungssprache ihre Bedeutung verändert haben. Beim „Butterbrot“ ist ein solches Missverständnis ja noch harmlos, aber wenn ein Norweger vom „Vorspiel“ spricht, denkt er dabei keineswegs an Bettgeschichten, wie wir Deutschen im ersten Schrecken wohl annehmen würden. Was für den Norweger das „Vorspiel“ ist, ist für den Deutschen das „Vorglühen“.
Aber manchmal frage ich mich schon, wieso ausgerechnet diese Begriffe ihren Weg in andere Sprachen gefunden haben. Sind wir Deutschen wirklich solche Besserwisser, dass die Finnen dieses Wort von uns in Form von „besservisseri“ übernommen haben? Sind wir so neurotisch, dass die Japaner die „Noiroze“ in ihre Sprache eingebürgert haben? Wieso im sudanesischen Arabisch gebündeltes Stroh als „Kollege“ bezeichnet wird, gibt auch zu denken.
Für Sprachwissenschaftler tut sich da noch ein weites Forschungsfeld auf.
Birte Mirbach
Diplomübersetzerin
Birte Mirbach ist Diplomübersetzerin (FH) und übersetzt aus dem Englischen, Niederländischen, Flämischen und Spanischen. Sie verfügt über fast zwanzig Jahre Erfahrung als freiberufliche Übersetzerin.
Sie liebt kreative Übersetzungen sowie Landwirtschafts- und Gartenbauthemen, aber auch Romane und Handarbeitsbücher gehören zu ihrem Portfolio.
Aktuell ist ein von ihr übersetztes Handarbeitsbuch erhältlich: „Socken häkeln für die ganze Familie“ von Sascha Blase-van Wagtendonk, außerdem erscheint im April „Texturen stricken“ von Erika Knight und im Juni „Die Hennakünstlerin“ von Alka Joshi in ihrer Übersetzung.
© Foto: Ringfoto Stadthagen
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* „Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz“ – Mark Twain