Wir machen uns selbstständig – Teil 1
Die Vorbereitung
Die Entscheidung, sich von der bisher bekannten Welt des Angestelltenverhältnisses zu lösen und künftig als Selbstständiger durchzuschlagen, ist wohl für die meisten der Beginn einer beispiellosen (emotionalen) Achterbahnfahrt. Uns hat es gerade in der Anfangsphase sehr geholfen und ermutigt, die Berichte von anderen Selbstständigen zu lesen oder anzuhören und so auf viele Tipps, Tricks und Antworten zu stoßen.
Daher war auch für uns von Anfang an klar, dass wir unsere Erfahrungen teilen möchten. Und weil der ganze Prozess sehr langwierig (oder besser gesagt eigentlich nie wirklich abgeschlossen) ist und so viele unterschiedliche Themenbereiche umfasst, stellt dieser Artikel den Auftakt für eine ganze Reihe von Beiträgen dar, in denen wir einige der wichtigsten Schritte auf unserem Weg zur und mit unserer eigenen GbR beschreiben.
Im ersten Teil widmen wir uns dem fröhlichen und langwierigen Prozess der intensiven Vorbereitung …
Recherche, Recherche, Recherche …
September 2011, ein Büro im „Gelben Haus“ in Göttingen:
An einem schicksalshaften Tag im September kreuzen sich zum ersten Mal unsere Wege: im kleinen Gemeinschaftsbüro der „Enzyklopädie des Märchens“. Zu diesem Zeitpunkt befindet es sich noch in einer der schönen alten Villen im Ostviertel der Universitätsstadt Göttingen. Beinahe fünf Jahre lang arbeiten wir von nun an Seite an Seite an der „EM“, einem Prestigeprojekt der Göttinger Akademie der Wissenschaften, lesen Artikel zu Märchentypen und -sammlern Korrektur und recherchieren die skurrilsten Erzählmotive aus aller Welt. Auf diese Weise werden wir zu Experten, wenn es beispielsweise um die Frage geht, wie man Zombies als billige Arbeitskräfte einsetzt oder was der beste Zauberspruch für die Befreiung eines Gefangenen ist. Wir lernen aber auch – ganz nebenbei – die Abläufe in einer wissenschaftlichen Redaktion kennen, und damit vor allem die 1000 Korrekturläufe, die nötig sind, bis ein Enzyklopädie-Eintrag oder ein Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden kann.
Januar 2016:
Da wir beide auch unabhängig von unserer Arbeit bei der Enzyklopädie des Märchens bereits einige Erfahrung in der Verlagsbranche und im PR- bzw. Marketing-Bereich gesammelt hatten, taucht schon bald der Gedanke auf, theoretisch gemeinsam ein Lektorats- und Textbüro gründen zu können. Anfang 2016 folgt der euphorische Entschluss, dass aus unserem Hirngespinst möglicherweise tatsächlich ein gemeinsames Projekt werden könnte … zumindest jedoch, dass wir das beide für erstrebenswert halten.
Februar 2016: Gemäß der alten Geisteswissenschaftler-Tradition führt unsere Entscheidung, es mit der Geschäftsidee zu versuchen, nun zum unausweichlichen nächsten Tagesordnungspunkt: intensivste Recherche und akribische Vorbereitung. Bücher werden gewälzt, die Konkurrenz ausspioniert, Umfragen gestartet, der Freundes- und Familienkreis wird alarmiert und aktiviert.
Eine Auswahl der wichtigsten Recherche-Themen: Lektoratsverbände (wie etwa der VFLL), Geschäftsformen, Steuern, Ausrüstung, Marketingstrategien, Verträge, Buchhaltungsprogramme und die Geschichte der Selbstständigkeit vom ersten Gründer in der Steinzeit bis zum Silicon Valley … Kurz: Wir wissen nun so gut wie alles, was man vor einer Geschäftsgründung wissen sollte und darüber hinaus viel, was wir wohl auch im 20. Geschäftsjahr noch nicht brauchen werden.
Es gibt Phasen voller Elan und Optimismus („Das ist doch genau unser Gebiet, da gibt es definitiv einen Markt!“), meistens aber sind wir eher überzeugt, uns selbst und jeden um uns herum in den finanziellen Ruin zu treiben („Wir werden unter der Brücke enden und verhungern.“).
Ergänzt wird die Recherche von aufbauender Begleitlektüre, wie etwa Zeitungsartikeln über die steigende Zahl von „Mittelschichtangehörigen, von (Solo)Selbstständigen, Freiberuflern und akademisch Gebildeten, die aufgrund sozialer Probleme ‚in die Gosse‘ abrutschen.“
Mai bis Dezember 2016:
Völlig freiwillig und mit viel Begeisterung (vor allem aber stets mit dem Ziel – unsere Selbständigkeit – im Blick) macht Sarah einen IHK-PR-Zertifizierungs-Intensivkurs, der u. a. wichtige PR-, Marketing-Grundlagen und IT-Kenntnisse etc. vermittelt. Die Erfolge und Resultate dieses Kurses sind bei den Beteiligten eher umstritten (um es vorsichtig auszudrücken). Aufgeputscht von so viel Fortbildungsinput besucht Sarah außerdem einen weiteren Kurs zum Thema Selbständigkeit, um die letzten Unklarheiten zu beseitigen.
Als sich dann jedoch durch ein Praktikum in diesem Rahmen ein erster Geschäftskontakt ergibt, wagen wir Mitte Dezember den Sprung ins kalte Wasser und gründen beherzt unsere GbR.
Da die Freuden der damit verbundenen Pflichten (Anmeldeformulare, GbR-Vertrag, Konto einrichten, KSK, Buchhaltung usw.) aber einfach zu zahlreich sind, um sie hier noch alle zu erwähnen, widmen wir ihnen lieber einen eigenen Beitrag.
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