Wie kurble ich die Kreativität an?
Ein paar nützliche Tipps, um ins Schreiben zu kommen
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass alle Menschen über ein kreatives Potenzial verfügen. Viele Menschen haben eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, die ihnen zuflüstert: „Du bist nicht kreativ.“ Ich weiß nicht, aus welcher Hölle diese Stimme entfleucht ist, doch sollte sie auch in Ihrem Kopf wohnen, hören Sie nicht auf sie. Auch Sie sind kreativ! (Nicht nur Menschen, die sich ein Ohr abschneiden oder mit selbstbemalten Jutebeuteln durch die Gegend laufen.)
Ein weißes Blatt – wie unheimlich
Viele fürchten sich vor dem weißen Blatt. Doch diese Angst ist völlig unbegründet, denn das weiße Blatt ist vielmehr ein Freund, der bereit steht, all Ihre Ideen, jeden noch so kruden Gedanken dankbar aufzunehmen. Falls Ihnen aber wirklich gar keine Idee kommen sollte und die schiere Weißheit des Blattes zu gruselig erscheint, gibt es einfache Tricks, um diese Furcht etwas abzumildern: Sie können z. B. einfach erst einmal irgendwelchen Text in Ihr Dokument kopieren, wie etwa Infos zu dem Thema, über das Sie schreiben möchten, ein Gedicht, das Sie mögen etc. Dann steht schon einmal etwas da und Sie können beruhigt anfangen.
Und dann einfach drauflosschreiben. Haben Sie keine Angst, sondern schreiben Sie erst einmal so, wie es Ihnen in den Sinn kommt. Machen Sie sich dabei zunächst keine Sorgen wegen möglicher Rechtschreibfehler usw., denn in der Regel arbeitet man eh noch mindestens einmal über den Text. Zügeln Sie Ihren inneren Perfektionisten (Stichwort: Schreibtypen), denn der hemmt nur und macht unsicher. Es muss nicht der perfekte Satz sein und auch nicht jedes Wort dreifach im Duden überprüft werden, bevor es zu elektronischem Papier gebracht wird.
Versuchen Sie sich dabei nicht ablenken zu lassen, z. B. vom Hauptfeind, dem Internet (Stichwort: Prokrastination).
Wer nicht einfach so drauflos schreiben kann oder möchte, für den gibt es unzählige Methoden, mit denen man die Kreativität hervorlocken kann. Einige werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Automatisches Schreiben
Ein Klassiker des „Einfach-drauflos-Schreibens“ ist das automatische Schreiben: Hier setzt man sich mit einem leeren Blatt Papier, einem Stift und einem Timer hin, der Timer wird dabei auf 5 oder 10 Minuten gestellt. Dann wird geschrieben, solange die Zeit läuft und dabei alles ganz ungefiltert aufs Papier gebracht, was einem gerade durch den Kopf geht. Wichtig: Nicht hinterfragen oder gar aufhören, sondern immer schön raus damit. Aber Achtung: Wer „automatisches Schreiben“ googelt, landet schnell auf Webseiten, die dieses als eine Methode vorstellen, mit Verstorbenen in Kontakt zu treten. Ich halte nichts für unmöglich, möchte aber auch keine falschen Hoffnungen schüren, dass Großtante Ingrid sich mit Ihnen in Verbindung setzt.
Wer glaubt, dass das automatische Schreiben nichts für ihn ist, weil er sich immer noch vor dem weißen Blatt gruselt (oder vor der Aussicht, mit den Toten zu sprechen), für den ist vielleicht die folgende Methode sinnvoll:
Entdecken Sie den Stalker in sich
Eine weitere „Übung“, um die Kreativität fließen zu lassen, nenne ich „Leute beobachten“. Das machen ja viele Menschen von Natur aus gern und es ist meiner Meinung nach für eine schreibende Person immer eine gute Voraussetzung. Ich wohne z. B. mitten in der Innenstadt und kann mich dafür gemütlich mit einem Block auf meine Fensterbank setzen, perfekt bieten sich aber auch der öffentliche Nahverkehr (Stichwort: Bahn) oder ein Café an. Hat man den richtigen Ort für sich gefunden, gehts auch schon los: Der alte Mann mit dem Hut, der leise vor sich hin schimpfend die Straße entlang geht. Was hat der wohl für eine Lebensgeschichte? Wo geht er hin? Wo kommt er her? Was hat er heute so erlebt? Was trägt er? Ist er vielleicht ein Zauberer aus einer fernen Welt? Ein Außerirdischer im Menschengewand? Ein Priester des Fliegenden Spaghettimonsters? Die Antwort auf all diese Fragen kennen nur Sie – also denken Sie sich was aus und vor allen Dingen: Schreiben Sie es auf.
Wer Menschen nicht so mag, der kann auch alles andere, was er sieht, beobachten und beschreiben, z. B. die Hummel vor dem Fenster, die sich gerade auf die duftenden Blüten setzt, oder die Bäume, die sich im Wind wiegen – sehen sie nicht aus wie Elefanten?
… oder besser noch: Stalken Sie sich selbst
Für die Selbstbeobachter unter uns kann auch das bewusste Auseinandersetzen mit sich selbst und der eigenen Wahrnehmung eine gute Übung sein: Wie fühle ich mich? Bin ich angespannt? Liegen meine Hände auf der Tastatur, dem Block? War dieser Knubbel schon immer an meiner Hand? … Ist das vielleicht Krebs?… (Nein, ist es nicht! Hören Sie schon auf zu googeln und schreiben Sie lieber weiter.)
Sie sind nicht allein!
Schreiben muss kein einsamer Prozess sein. Suchen Sie sich eine Schreibgruppe oder gründen Sie eine. Denn die regelmäßigen Treffen mit der Gruppe können einem nicht nur helfen, am Ball zu bleiben, sondern auch dabei, sich zu verbessern, indem man Feedback bekommt bzw. gibt. Man kann sich nicht nur perfekt mit anderen austauschen, darüber hinaus sind das Verteilen von „Hausaufgaben“ (z. B.: Bis zum nächsten Treffen in zwei Wochen hat jeder fünf Seiten geschrieben) und gemeinsame Schreibübungen oftmals große Hilfen für den eigenen Schreibprozess.
Bei längeren Texten, wie einem Roman, empfiehlt sich zudem immer ein gutes externes Lektorat, denn man selbst wird mit der Zeit blind für eigene Schwächen bzw. Fehler im Text.
Tschakka, Sie schaffen das!
Zum Schluss noch ein paar inspirierende Worte:
Ein Gefühl für Sprache ist etwas Angeborenes, doch Schreiben kann wirklich jeder lernen. Bleiben Sie dran, lassen Sie sich nicht entmutigen und erwecken Sie den Schreiber in sich – Großtante Ingrid und ich glauben fest an Sie.
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* „Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz“ – Mark Twain